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Nr. 12: Altes Handwerk

Ein Laden mit nichts anderem als Tischbürsten, Kleiderbürsten, Haarbürsten, Flaschenbürsten, Gemüsebürsten, Radiatoren-Bürsten. Ich öffne neugierig die Tür. Sogleich lächelt mir die Dame an der Verkaufstheke entgegen. „Womit kann ich dienen?”, erkundigt sie sich. Ich druckse ein bisschen herum, dann wage ich es: „Geht ihr Geschäftsmodell eigentlich auf? Ich meine...” Jetzt weiß ich nicht mehr weiter. “Wir sind im siebten Jahr”, kommt die leicht pikierte Antwort. „Aber, wer sind denn Ihre Kunden?” „Wir”, rufen zwei Damen, die sich in der Ecke herumgedrückt haben. „Baby-Bürste mit Schweineborsten”, sagt eine und hält mir die erhobene Bürste entgegen wie eine Lanze. Okay, denke ich, eine Babybürste ist ein Geschenk für eine Geburt. Ich persönlich hätte einen Strampelanzug bevorzugt. „Sie sehen skeptisch aus”, sagt die Kundin und an ihrem Blick erkenne ich, dass sie gleich versuchen wird, mich zu bekehren. „Nicht skeptisch, nur ... ” Sie schnappt sich einen Wedel und kommt auf mich zu. Will sie mir da tatsächlich ans Gesicht? „Bitte nicht”, sage ich und trete zurück. „Das ist altes Handwerk. Bei guter Pflege hält dieser Wedel ein ganzes Leben.” Bei einer Scheidungsquote von 40 % … Ich stelle mir den Streit vor: Die Bücherbürste nehme ich. Nein, du bekommst die Milchschäumer-Schlauchbürste. „Der landet nicht in der Mülltonne wie all der Plastikkram”, sagt eine der Damen. “Schauen Sie doch mal, alles hier ist nützlich, schön und nachhaltig. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit unseren Ressourcen. Bereitet Ihnen das denn keine Freude?” Freude? ich horche auf: „Ist das ein anderes Wort für Glück?”