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Mit „klassischem Handwerkszeug“ gegen Fake News und Medienverdrossenheit

Wie können Politiker und Journalisten effektiv auf Phänomene wie Fake News, Social Bots oder den Lügenpresse-Vorwurf reagieren? Welche neuen Formate bewähren sich in Wahlkampfzeiten und wie reagiert die Politik auf den digitalen Medienwandel? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der von Studierenden der NRW School of Governance organisierten Podiumsdiskussion „Zwischen #wahlwatch und fake news: Wahlkampf in Zeiten von Medienverdrossenheit“ am 21. Juni 2017 in Duisburg. Die Veranstaltung war Teil des Projekts „Kommunikationsstress im Ruhrgebiet“, das durch die Brost-Stiftung finanziert wird.   Auf Augenhöhe mit dem Zuschauer/Leser   Eine Antwort auf diese Fragen gab Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Matthias Degen. „Es muss wieder stärker auf Augenhöhe mit den Zuschauern und Lesern berichtet werden“, forderte der Direktor des Instituts für Journalismus und PR an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen. Er saß gemeinsam mit dem Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje und der stellvertretenden Chefredakteurin der WDR-Landesprogramme Sabine Scholt auf dem Podium. Dass die Beziehung zu den Zuschauern und deren Wünsche zu lange vernachlässigt wurde, bestätigte auch Scholt. Für die Moderatorin waren im NRW-Landtagswahlkampf vor allem die Zuschauer-Hearings bemerkenswert, die der WDR im Vorfeld des TV-Duells und der Wahlarena durchgeführt hat. „Diese Diskussionen mit den Bürgern haben die Art unseres Programmmachens verändert“, bilanzierte Scholt, die gleichzeitig betonte, dass das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland immer noch sehr hoch sei. „Allerdings lässt sich beobachten, dass sich das Vertrauen in Journalismus polarisiert. Es gibt also immer größere Bevölkerungsteile, die entweder ein sehr hohes oder sehr niedriges Vertrauen in Berichterstattung setzen“, gab Hillje zu bedenken. Ein Grund für diese Entwicklung lasse sich in Strategien populistischer Parteien finden, die ihrer Kommunikation gezielt einen pseudo-journalistischen Anstrich verleihen: „Das untergräbt die mediale Orientierungsfunktion“, so Hillje.   Faktenchecks als A und O guten Journalismus   Aber auch journalistische Routinen tragen zu Medienverdrossenheit bei, meint Kommunikationswissenschaftler Degen: „Wenn wir dazu neigen, Heilige zu erschaffen und Personen hoch- oder runterzuschreiben, dann tragen wir zu einer Entfremdung zwischen Publikum, Journalismus und Politik bei.“ Angesprochen auf die hohe Beliebtheit von Faktenchecks in der Berichterstattung zur nordrhein-westfälischen Landtagswahl antwortete Scholt: „Ich möchte nicht, dass Faktenchecks wie unser Format #wahlwatch als Antwort auf das Phänomen Fake News verstanden werden. Eine genaue Recherche und die Kontrolle von Politik waren schon immer Aufgaben des Journalismus. Insofern sind Faktenchecks klassisches Handwerkszeug.“ Auch Hillje wollte den Begriff der Fake News nicht unkommentiert lassen: „Eine Falschmeldung ist in den meisten Fällen keine gezielte Manipulation, sondern schlichtweg ein menschlicher Fehler.“   Zurück zur Rede – aber bitte viral „Was waren denn die auffallenden Trends im NRW-Wahlkampf?“, fragten Laura Dinnebier und Anne Goldmann, die Studentinnen der NRW School of Governance, die den Abend moderierten. „Es war ein Revival der politischen Rede zu beobachten. Diese gingen als Videos immer häufiger in den sozialen Medien viral“, antwortete Hillje. Für die WDR-Moderatorin Scholt war wiederum der Fokus auf landespolitische Inhalte bemerkenswert. Auch mit Blick auf die Bundestagswahl im September 2017 hatten die Diskussionsteilnehmer einige Tipps parat: Die Parteien sollten ihre Strategien auf lange Sicht anlegen und einen stärkeren Fokus auf App- und datenbasierten Haustürwahlkampf legen. Denn die persönliche Begegnung habe immer noch die stärkste Überzeugungskraft.   Mehr zum Förderprojekt „Kommunikationsstress“ finden Sie hier.