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Konzert-Highlight! Wenn bei Mozart der Blitz einschlägt

Folkwang Kammerorchester Essen beschenkte sich und die Zuhörer zum 60. Geburtstag Mozarts Stimmung war dunkler als Moll... Kaiser Joseph II. befand sich auf dem Feldzug gegen die Türken, Adel und Gesellschaft hatten die Hauptstadt Wien weitgehend verlassen. Keine Konzerte, keine Kohle für den Komponisten. Seine Popularität ließ ohnehin nach, fehlende Aufträge sowie ein Kuraufenthalt von Ehefrau Constanze verschärften die Geldnot. Also stürzte er sich im Sommer 1788 mit Verzweiflung in die Arbeit. In gut drei Monaten entstanden drei Sinfonien als Krönung seines Lebenswerkes, in dem die „Große g-Moll“ (Sinfonie Nr. 40) einen Höhepunkt darstellt. „Es ist Musik, die unter die Haut geht“, erklärt Johannes Klumpp, Chefdirigent des Folkwang Kammerorchesters Essen. Zum 60. Geburtstag hat sich sein Orchester selbst die vorletzte Mozart-Komposition geschenkt – und das Publikum in drei mitreißenden Konzerten unter dem Titel „Schwarze Gedanken“ an der Geburtstagsparty teilhaben lassen. Klumpp: „Es ist eines unserer Lieblingsstücke, in dessen Verlauf Mozarts Genie aber auch seine Verzweiflung deutlich werden. Nach den Seufzer-Motiven zum Auftakt wird es immer dramatischer, zwischendurch schlägt regelrecht der Blitz ein.“ Große Musik braucht eine große Besetzung, also lag das Geschenk der Brost-Stiftung zum runden Geburtstag des Orchesters nahe. Dank der Unterstützung durch die Stiftung durfte Klumpp zum Stammpersonal (16) neun zusätzliche Musiker, allesamt Bläser, verpflichten. Ein üppiger Klangkörper als Ohrenschmaus für die Fans. „Das könnten wir uns normalerweise nicht leisten, aber man wird nur einmal 60“, erklärte der Chef schmunzelnd bei seiner Anmoderation im Musiksaal der Villa Hügel den rund 350 Zuhörern. Und er sollte Minuten später, von einem Mozart-berauschten Orchester getragen, die eigene Vorhersage beim Publikum einlösen: „Schon im ersten Satz wird Ihnen der Boden unter den Füßen weggerissen...!“ Dem Ohrwurm zum Auftakt („Tadada, tadada, tadadada...“), den selbst klassikferne Musikfreunde von Handy-Klingeltönen und Wartschleifen-Melodien mitsummen können, folgt „einer der schönsten Sätze der Musikgeschichte“ (Klumpp). Und das Finale verlangt dem vor Spielfreude sprühenden Orchester noch einmal alles ab, weil sich „Mozart an die Grenzen der Tonalität begibt und seine Themen erneut durch die unterschiedlichsten Themen und darüber hinaus jagt“ (Klumpp). Tatsächlich ist dann auch das Folkwang Kammerorchester an seinen Grenzen angelangt, badet minutenlang erschöpft im nicht enden wollenden Applaus. Ehe Klumpp, schweißgebadet, den unvergesslichen Abend beendet: „Ihr anhaltender Applaus lässt darauf schließen, dass Sie gerne noch mehr hören wollen. Sorry, wir können einfach nicht mehr...“ Was zum Teil den „sommerlichen“ Temperaturen im Saal geschuldet war. Auf die hatte Klumpp schon unbewusst abgehoben, als er Samstagabend in das erste Stück einführte, Mozarts Sinfonie Nr. 13 in F-Dur. „Er schrieb sie im Alter von 15 Jahren bei einem Italien-Aufenthalt. Dort scheint ja fast immer die Sonne, wie sie der Musik spüren werden...“ Klumpp und sein Orchester, in Originalbesetzung bestehend aus 16 Absolventen und Studierenden nordrhein-westfälischer Musikhochschulen, nehmen die Zuhörer mit auf eine Reise durch Mozarts Leben und Schaffen. Perfekt ergänzt durch Christoph Eß, einen weltweit ausgezeichneten Hornisten. Er lässt Musik lebendig werden, die Mozart für den Hornisten Leitgeb geschrieben hat, einen engen Freund. Klumpp: „Die beiden haben sich laut Biografen immer wieder gegenseitig auf die Schippe genommen. Angeblich sollte Leitgeb sich auf Anweisung des Meisters so lange hinter den Ofen knien, bis Mozart mit dem ersten Horn-Konzert fertig war.“ Wer Eß an diesem Abend lauschen durfte, wird sich innerlich für Leitgebs ausdauernde Nötigung gegenüber Wolfgang Amadeus Mozart bedankt haben. Für alle, die nicht dabei waren, ein Trost: Die Konzerte vom 11. bis 13. Mai wurden mitgeschnitten, sie sollen demnächst als Tonträger erscheinen. Mozart schrieb übrigens im späten Schaffensrausch neben Noten ständig Bettelbriefe. Wie sehr die Geldnot auf die Stimmung drückte, verriet er im Brief an einen Freund: „Ich habe in den 10 Tagen daß ich hier wohne mehr gearbeitet als in anderen Logis in 2 Monat, und kämen mir nicht so oft so schwarze Gedanken (die ich nur mit Gewalt ausschlagen muß) würde es mir noch besser von Statten gehen.“ Die finanzielle Moll-Stimmung des Jahres 1788 hellte sich nicht mehr wesentlich auf; am 5. Dezember 1791 verstarb Mozart mit nur 35 Jahren in Wien...