Direkt zum Inhalt wechseln

An den Ufern der Ruhr ist das Leben im Fluss

In einem auf drei Jahre angelegten Projekt will die Brost-Stiftung die Bedeutung des Stromes als Namensgeber, Energiequelle und Identifikationssymbol der Menschen ergründen

__________________________________________________

„Was macht das Ruhrgebiet Ihrer Meinung nach aus, was ist das Besondere am Ruhrgebiet und seinen Menschen?“

Mit dieser und einem guten Dutzend weiterer Fragen will das Forsa-Institut im Auftrag der Brost-Stiftung das Heimatgefühl der „Ruhris“ ergründen. Die groß angelegte Umfrage ist ein Baustein des laufenden, auf drei Jahre angelegten, Projektes „Die Ruhr und ihr Gebiet: Leben am und mit dem Fluss“. Am Ende des Projekts steht ein zweibändiges Buch, das den namensgebenden Fluss wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen der Region rücken soll.

„Flüsse sind die dynamische Konstante einer Region. Das ist nur scheinbar ein Widerspruch. Die Ruhr ist Namensgeber der bedeutendsten Industrieregion Deutschlands. Sie ist Geschichte und Gegenwart“, begründet Stiftungs-Vorstand Professor Bodo Hombach die Unterstützung des Projektes. „Von großer wirtschaftlicher Bedeutung wandelte Sie sich zum Erholungs- und Freizeitareal. Identitätsstiftend ist sie geblieben. Man kann ihr nicht genug Aufmerksamkeit widmen. Aber wie schon ein Vorsokratiker erkannte: ‚Man steigt nie zweimal in denselben Fluss.‘ -  Menschen und Zeiten verändern sich. Also gibt es auch immer neue Wahrnehmungen.“

In der Betrachtung des Zeitraums vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart sollen zwei Hauptaspekte beleuchtet werden. Zunächst die Ruhr in Hinsicht auf ihre Identität und Heimat schaffende Qualität. Neben dem Erlebnis des Flusses als Naturraum geht es um seine Aneignung durch den Menschen, um Arbeit und Wohnen auf und an der Ruhr, sowie die Industriekultur des Ruhrtales.

Zwischenüberschrift:

„Die Ruhr gibt der Region

den Namen, aber sie

 zerschneidet sie nicht“

Darüber hinaus soll aber auch die Bedeutung des Flusses auf der „mental map“ des Ruhrgebietes betrachtet werden. Warum heißt das Ruhrgebiet eigentlich „Ruhrgebiet“? Erst in den 1920er/30er Jahren setzt sich die Bezeichnung für die Gesamtregion durch, als das Ruhrtal für die Montanindustrie schon keine Rolle mehr spielte. Von hier zog sich der Bergbau am ehesten zurück, hier begann der generationenübergreifende Strukturwandel, der noch heute die Region prägt.

„Die Ruhr gibt der Region den Namen, aber sie zerschneidet sie nicht. Sie begleitet sie am südlichen Rand. Deshalb wird sie im Kern auch nicht klar und hart wahrgenommen, sondern eher ‚weich‘ und atmosphärisch“, erläutert Hombach, der mit dem Fluss in direkter Nachbarschaft verbunden ist. „Da zieht zum Beispiel der Hellweg als Heer- und Handelsstraße, der die Ruhr nahe an meinem Wohnsitz kreuzt, eine viel deutlichere Spur durch Land und Geschichte.

Von je her seien Flüsse für ihre Anwohner von besonderer Bedeutung. Das gehe weit hinaus über Physik und Nutzwert (Wasserstraße, Entsorgung, Bewässerung) und rage tief in das Lebensgefühl hinein. „Ich will hier nicht Smetanas ‚Moldau‘ bemühen, aber auch die Ruhr hat Geschichte und Geschichten. Und sie hat Brücken. Ich wohne - wie gesagt - nahe der Ruhrquerung der B1, dem alten Hellweg. Vom Garten aus sehe ich unmittelbar vor mir den robusten Alltagsübergang für den ‚kleinen Grenzverkehr‘ zwischen hüben und drüben. Jeder Fluss hat etwas Trennendes, aber damit ist er auch Herausforderung und Anlass für gewollte und gestaltete Begegnung.

Gewiss: Am Rhein kann kein Poet das Wasser halten. Da braust es wie Donnerhall, man besingt den ‚heiligen Strom‘ oder reimt Hals über Kopf auf Wein und frei’n.

 Die Ruhr ist da eher wie bei Muttern. Sie putzt einem die Nase und sagt: Pass auf dich auf!“

Zu den Besonderheiten des Buchprojektes gehört ein überdurchschnittlich hoher Fotoanteil von rund 50 Prozent. Die Beiträge sollen sowohl mit historischen Bildern, Archivmaterial als auch neu aufgenommenen Fotos bebildert werden. Einzelne Bilderstrecken wurden hier bereits angefertigt. Außerdem soll der Wechsel zwischen unterschiedlichen Textformen den Unterhaltungswert steigern. Bodo Hombach: Unser Doppelband bietet Textgenres mit wissenschaftlicher Betrachtung, Reportage-Elementen und persönlichen Beschreibungen. Das macht ihn besonders farbig und entdeckerlustig.“

Der Stiftungsvorstand legte bei der Genehmigung großen Wert darauf, das Thema „Die Ruhr und ihr Gebiet“ unbedingt im Kontext des Oberthemas „HEIMAT“ zu sehen. Dies ergebe sich allein daher, dass die Ruhr Namensgeber einer ganzen Region ist, mit entsprechender eigener Kultur, die hier zahlreiche Bereiche der Menschen prägt (z.B. Sprache, Essen, Image, Identität). Deshalb beschäftigt sich der Zusatz-Baustein „HEIMAT“ mit dem Stellenwert der Ruhr als Heimat für die an ihr lebende Bevölkerung und leistet auch hiermit einen Beitrag zur Aufklärung der Bürger.